Die Rolle des G-BA in der Patientenversorgung

17. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik diskutiert Lernkurve in der Patientenversorgung

Wenn es in der Pharmakotherapie um Neuzulassungen von Arzneimitteln auf Basis bewährter Wirkstoffe geht, hadert die pharmazeutische Industrie mit zahlreichen Hürden. Welche Rolle der G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) dabei spielt und ob alle Beteiligten des Gesundheitswesens aus der Erfahrung genug gelernt haben, das hinterfragte der 17. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik. In der Diskussion erlebten die Teilnehmer einen „G-BA 2.0“: Das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung sieht sich als dynamisches System und ist bereit, die eigenen Positionen zu überprüfen. Soviel vorweg: Die Beteiligten erkennen an, dass man nie ausgelernt hat.

Referenten

G-BA vor Vielzahl und Komplexität von Richtlinien

Transparenter, aber auch deutlich komplexer ist das System aus Richtlinienkompetenz und Qualitätssicherung rund um den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen geworden. Beim 17. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik zeigt Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA, in Bezug auf die Arzneimittelversorgung ein kleinteiliges regulatorisches Umfeld auf. Das AMNOG ermögliche ein modernes Verfahren, das Innovationen den Zugang zum Markt ab dem ersten Tag der Zulassung ermögliche – und das über ein Jahr zu den Preisvorstellungen der Hersteller. Die Vielzahl und Komplexität von Richtlinien mache es jedoch immer diffiziler, echte Innovationen vor Scheininnovationen zu schützen. Den größtmöglichen Nutzen für Patienten, das sollte der G-BA als oberste Maxime sehen.

Man nehme losgelöst von wirtschaftlichen Überlegungen eine reine Mehrwertbetrachtung im Sinne einer Verbesserung zur Standardtherapie vor. Oft jedoch stimmten Heilsversprechen nicht mit den Evidenz-Untersuchungen überein. Prof. Hecken betont, dass das AMNOG weiterentwickelt werden muss. Aufgrund der Zulassungskriterien und des damit verbundenen hohen Herstellerrisikos gäbe es zu wenige Zulassungen für Kinder. Im wichtigen Bereich der Volkskrankheiten wie etwa Diabetes gäbe es kaum Evidenz, was der Grund für zu wenig Forschung sei. Nicht nur der G-BA ist also in der Pflicht, seine Position zu überprüfen.

Schafft der G-BA Hürden für Forschung und Entwicklung an bewährten Wirkstoffen?

Während für Wirkstoffinnovationen der Zulassungsprozess sinnhaft ist, steht die Forschung an bewährten Wirkstoffen für neue Indikationsbereiche vor großen Systemhürden. Das veranschaulicht die Molekularbiologin Dr. Michaela Gorath (Projektmanagement G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG) am Beispiel des Wirkstoffs Nitroglycerin. Für diesen Wirkstoff gibt es neben „Angina pectoris“ weitere medizinisch interessante Anwendungsbereiche. Das Problem: Hat das forschende Unternehmen schon ein zugelassenes Präparat mit dem Wirkstoff, existiert kein Unterlagenschutz. Die Forschung und Entwicklung lässt sich somit nicht refinanzieren. Ihre Forderung: ein zehnjähriger Unterlagenschutz für Neuzulassungen mit bewährten Wirkstoffen zum Schutz vor generischen Herstellern. Das ist neben vielen anderen ein Grund dafür, dass Innovationsbereiche unerforscht bleiben.

G-BA noch zu schwerfällig?

Rückendeckung bekommt die Unternehmerperspektive vom Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht – dem Anwalt und Allgemeinmediziner Prof. Christian Dierks. Die aktuellen Rahmenbedingungen setzen seiner Meinung nach keine Anreize für bekannte Wirkstoffe. Grundsätzlich ist das auch nicht die Aufgabe des AMNOG. Vielmehr soll das System vor einer Überschwemmung durch neue Wirkstoffe schützen. Da aber alle Innovationen über die AMNOG-Vorgaben geprüft werden, bestehe das Risiko, dass gute bekannte Wirkstoffe vom Markt fliegen. Für Dierks ist der G-BA noch zu schwerfällig in der Anpassung an die aktuelle Versorgungsrealität. Für bewährte und damit bereits als sicher erachtete Wirkstoffe sollte die Arzneimittel-Richtlinie so angepasst werden, dass Forschung und Entwicklung attraktiv bleiben.

Politik sieht Weichen für Patientenversorgung gut gestellt

Deutschland muss als Pharmastandort attraktiv bleiben. Dafür dürften sinnvolle Weiterentwicklungen nicht verhindert werden. Dieser Position stimmt auch Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Gesundheit, zu. Das BMG setzt sich für gute Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in Deutschland ein. In 2014 ist der Etat um 25 Prozent (32 Mio. Euro) erhöht worden. Auch führe man den Pharmadialog mit der Industrie, und das insbesondere im wichtigen Bereich der Pharmakotherapie. Es gelte, Versorgungsengpässe und Abhängigkeiten von anderen Ländern zu vermeiden und sich mit gravierenden Problemen auseinander­zusetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe das Thema auf die Agenda des G-7-Gipfels gestellt, was die Dringlichkeit und Wichtigkeit zeige. Mit den gesetzlichen Regelungen der letzten Jahre seien die Weichen somit richtig gestellt.

Flyer zur Veranstaltung

Übersicht