Langfristig hochwertige medizinische Versorgung?

11. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik diskutiert GKV-Versorgungsstrukturgesetz

Waren die Vorschusslorbeeren für das Gesetz zur Verbesserung der Versor­gungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung - kurz GKV-VStG – gerechtfertigt? Gesundheitsminister Daniel Bahr ließ zum Versorgungsstrukturgesetz sogar verlauten, dass damit der Weg für eine langfristige, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung geebnet sei. Tatsächlich enthält das 40 Seiten umfassende Gesetzeswerk eine Vielzahl neuer Regelungen zur Schaffung einer verbesserten medizinischen Versorgung in allen Bereichen. Doch können oder werden die Instrumente des Gesetzgebers in der Praxis die gewünschte Wirkung zeigen? Ist das, was Kritiker als „Landarztförderungsgesetz“ titulieren, tatsächlich ein innovativer Wurf für alle Beteiligten am Gesundheitssystem?

Referenten

Wie wirkt sich das Versorgungsstrukturgesetz auf die medizinische Versorgung aus?

Mit dem GKV-VStG ist eine Dezentralisierung und Verlagerung der Entscheidungs­prozesse eingeleitet worden. Insbesondere geht es um mehr regionale Spielräume etwa durch Leistungsanreize für Ärzte in versorgungsschwachen Regionen, die Einführung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sowie die neue Honorarhoheit der Krankenversicherungen. Damit ist ein guter Weg in Richtung einer sektorübergreifenden Gesundheitsversorgung geebnet. So die Ansicht von Dr. Rolf Koschorrek, einem der Mitgestalter des Versorgungsstrukturgesetzes. Nachdem die Politik mit den Gesundheitsreformen der Vergangenheit und vor allem mit dem Instrument der Zentralisierung an die eigenen Grenzen gestoßen ist, sei mit dem GKV-VStG nun ein flexibles, dezentral orientiertes Rahmengesetz geschaffen worden, das denjenigen Entscheidungskompetenz überträgt, die in den Regionen für die Gesundheitsversorgung verantwortlich sind. Der CDU-Bundestagsabgeordnete bezeichnet das GKV-VStG als ein lernendes System, das ständig aktualisiert werden kann.

Schritt in Richtung bestmögliche medizinische Versorgung

Das Versorgungsstrukturgesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, beinhalte aber einige Fehlein­schätzungen, so der stellvertretende Vorsitzende der KV Hamburg, Walter Plassmann. Gesundheitsversorgung orientiere sich an regionalen Notwendigkeiten, deshalb müsse auch Gesundheitspolitik grundsätzlich regional organisiert werden. Durch das GKV-VStG haben die Krankenkassen nun zwei wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten: die Bedarfsplanung und die Honorarfestlegung. Er begrüßt, dass Honorarverträge nun weitgehend regional verhandelt werden und die Honorarverteilung wieder Hoheit der Krankenkassen ist. Nur so können alle Faktoren für eine versorgungsadäquate und gerechte Leistungshonorierung berücksichtigt werden. In Sachen Ärztemangel in ländlichen Regionen sieht Plassmann allerdings keine Anreize im Versorgungsstrukturgesetz.

Kein Ansatz zur Sicherung der medizinischen Versorgung in der Fläche

Als regelrecht naiv bezeichnete der Leiter der Landesvertretungen der Techniker Krankenkasse, Dr. Andreas Meusch, den Glauben an die Lösung der regionalen Versorgungsproblematik durch das GKV-VStG. Meusch kritisiert insbesondere die Intransparenz bei der Honorarverteilung durch die KVen. Auch die Impulse zur Verzahnung der Leistungssektoren reichten nicht aus, um administrative Hürden zu meistern und eine optimale medizinische Versorgung zu erreichen. Er sieht aber auch positive Elemente:

  • Die Stärkung der Wahlfreiheiten für die Versicherten durch erweiterte Krankenkassen­leistungen,
  • Die Ausdehnung der Leistungspflicht bei Haushaltshilfen für ältere Kinder,
  • die Aufhebung der Residenzpflicht für Ärzte,
  • den Vorrang von Beratung vor Regress bei den Arzneimittelprüfungen.

Das Fazit stellt fest: In der Gesamtbetrachtung bietet das Versorgungsstrukturgesetz im Verhältnis zu den Reformen der letzten 20 Jahre das größte Potenzial für Verbesserungen in der medizinischen Versorgung. Die Zukunft muss zeigen, ob die Beteiligten die Chancen nutzen.

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